Gunnar Krüger
Die betriebsbedingte Kündigung – der Schock für viele Arbeitnehmer gerade, weil Angestellte im Gegensatz zur personenbedingten Kündigung den Erhalt nicht selbst beeinflussen können.
Für viele Arbeitgeber ist sie ein gängiges Instrument, um auf wirtschaftliche Veränderungen zu reagieren.
Doch wie genau funktioniert eine betriebsbedingte Kündigung? Unter welchen Voraussetzungen ist sie rechtlich zulässig, welche Rolle spielt die Sozialauswahl, und welche Rechte haben Arbeitnehmer in einem solchen Fall?
In diesem Beitrag beleuchten wir diese Fragen ausführlich und geben Tipps, wie ein Anwalt für Arbeitsrecht in solchen Situationen unterstützen kann.
Das erwartet Sie:
- Was ist eine betriebsbedingte Kündigung
- Auswirkungen auf betriebsbedingte Kündigungen: Finanzielle Situation und Liquidität
- Voraussetzungen für eine betriebsbedingte Kündigung
- Die Rolle der Sozialauswahl
- Kündigungsfristen bei betriebsbedingten Kündigungen
- Schritte nach Erhalt einer betriebsbedingten Kündigung
- Wie kann ein Anwalt für Arbeitsrecht unterstützen?
- Fazit
- FAQ
1. Was ist eine betriebsbedingte Kündigung?
Die betriebsbedingte Kündigung ist, neben der personenbedingten und verhaltensbedingten Kündigung, eine der drei Kündigungsarten im deutschen Arbeitsrecht.
Während sich die personenbedingte Kündigung auf die Person des Arbeitnehmers (z. B. dauerhafte Arbeitsunfähigkeit) und die verhaltensbedingte Kündigung auf das Verhalten des Arbeitnehmers (z. B. wiederholtes Zuspätkommen, Arbeitsverweigerung) stützt, ist die betriebsbedingte Kündigung wirtschaftlich bedingt.
Eine betriebsbedingte Kündigung liegt vor, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus wirtschaftlichen, strukturellen oder organisatorischen Gründen beenden muss. Typische Beispiele sind:
- Auftragsrückgang oder Umsatzrückgang
- Betriebsstilllegung oder Betriebsschließung
- Rationalisierungsmaßnahmen, z. B. Einführung neuer Technologien
- Stellenabbau wegen Umstrukturierungen
Im Kern geht es also nicht um das Verhalten des Arbeitnehmers, sondern um betrieblich notwendige Anpassungen, die eine Weiterbeschäftigung einzelner Mitarbeiter unmöglich machen.
2. Auswirkungen auf betriebsbedingte Kündigungen: Finanzielle Situation und Liquidität
Man mag vermuten, dass allein eine verschlechterte finanzielle Situation oder Liquiditätsprobleme eines Unternehmens betriebsbedingte Kündigungen rechtfertigen. Das ist nicht der Fall!
Entscheidend ist, inwieweit ein Beschäftigungsbedarf besteht.
Sowohl inner- als auch außerbetriebliche Gründe wie bspw. Rationalisierungsmaßnahmen, Auftragsmangel oder Umsatzrückgang müssen dauerhafte Auswirkungen auf den Beschäftigungsbedarf im Unternehmen haben. Erst wenn das der Fall ist, sind betriebsbedingte Kündigungen gerechtfertigt.
3. Voraussetzungen für eine betriebsbedingte Kündigung
Damit eine betriebsbedingte Kündigung rechtlich wirksam ist, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Andernfalls kann die Kündigung vor dem Arbeitsgericht angefochten werden.
Dringende betriebliche Erfordernisse
Der Arbeitgeber muss nachweisen, dass ein dringender betrieblicher Bedarf besteht, das Arbeitsverhältnis zu beenden. Hierbei wird geprüft:
- Gibt es tatsächliche wirtschaftliche Probleme, z. B. Umsatzrückgang, Auftragsmangel oder Kostendruck?
- Kann der Arbeitsplatz nicht durch Versetzung, Teilzeitmodell oder andere Anpassungen erhalten werden?
- Ist die Kündigung unausweichlich, um den Betrieb langfristig zu sichern?
Ein aktuelles Praxisbeispiel: Ein Unternehmen stellt auf Digitalisierung um und nutzt verstärkt KI. Dadurch entfallen manuelle Arbeitsbereiche. Sofern keine andere Position angeboten werden kann, besteht ein betrieblicher Grund für die Kündigung des betroffenen Arbeitnehmers.
Interessenabwägung
Im Vergleich zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberinteresse, muss das Interesse des Arbeitgebers zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses immer überwiegen.
Fehlende Weiterbeschäftigungsmöglichkeit
Der Arbeitgeber muss prüfen, ob der betroffene Arbeitnehmer auf einem anderen freien Arbeitsplatz im Unternehmen weiterbeschäftigt werden kann. Dies kann eine Versetzung innerhalb des Betriebs sein oder die Übernahme einer anderen, vergleichbaren Tätigkeit. Eine Kündigung – auch betriebsbedingt – muss immer das letzte Mittel darstellen („Ultima-Ratio-Prinzip“).
Wir empfehlen dringend, vor Ausspruch von betriebsbedingten Kündigungen, andere betriebsinterne Beschäftigungsmöglichkeiten zu prüfen. Erst wenn diese dauerhaft nicht vorhanden sind, ist eine betriebsbedingte Kündigung gerechtfertigt.
Prinzip der Verhältnismäßigkeit
Weiterhin müssen vor Ausspruch der betriebsbedingten Kündigung alle milderen Mittel ausgeschöpft sein. Es greift das Verhältnismäßigkeitsprinzip. Mildere Mittel können sein:
- Weiterbeschäftigung nach zumutbarer Umschulung und Fortbildung
- Abbau von Leiharbeitnehmern
- Kurzarbeit (als Option bei vorübergehender Reduzierung des Arbeitsvolumens)
- Ausspruch einer Änderungskündigung
4. Die Rolle der Sozialauswahl
Eines der zentralen Elemente der betriebsbedingten Kündigung ist die Sozialauswahl. Diese Pflicht ergibt sich aus § 1 Abs. 3 KSchG (Kündigungsschutzgesetz). Besonders schutzbedürftige Arbeitnehmer sollen durch die Sozialauswahl vor betriebsbedingter Kündigung geschützt werden
Bei mehreren vergleichbaren Arbeitnehmern, die vom Stellenabbau betroffen sind, muss der Arbeitgeber folgende Kriterien berücksichtigen:
- Betriebszugehörigkeit: Langjährige Mitarbeiter haben in der Regel Vorrang vor Kündigung.
- Alter: Ältere Arbeitnehmer genießen besonderen Schutz, da sie oft schwerer eine neue Stelle finden.
- Unterhaltspflichten: Arbeitnehmer mit Kindern oder Angehörigen, die sie unterstützen, werden stärker geschützt.
- Schwerbehinderung: Menschen mit anerkanntem Grad der Behinderung dürfen nur eingeschränkt gekündigt werden.
Der Arbeitgeber erstellt eine Sozialauswahl-Liste und entscheidet auf Basis der genannten Kriterien, wer gekündigt wird.
Die Bewertung aller vergleichbaren Arbeitnehmern erfolgt mittels eines vom BAG bestätigten Punktesystems. Soziale Härten, wie Alleinerziehenden-Status oder Pflege von Familienangehörigen können besonders berücksichtigt werden. Ebenfalls ist der Arbeitgeber berechtigt, Leistungsträger, die aufgrund besonderer Kenntnisse und Fähigkeiten zur Erreichung der Unternehmensziele oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur besonders relevant sind, von der Sozialauswahl ausgenommen.
Grundsätzlich gilt folgendes Punkteschema nach Bundesarbeitsgericht (BAG 05.12.2002 – 2 AZR 549/01):
- Betriebszugehörigkeit: je Dienstjahr 1 Punkt, ab dem 11. Jahr 2 Punkte (max. 70 Punkte)
- Lebensalter: je Lebensjahr 1 Punkt (max. 55 Punkte)
- Unterhaltsverpflichtungen: je Kind 4 Punkte, verheiratet 8 Punkte
- Schwerbehinderung: bis 50 % = 5 Punkte, darüber je 10 % weitere 1 Punkt
Sozial weniger betroffene Angestellte, also Mitarbeiter, deren Bedürfnis auf Weiterbeschäftigung rein formal geringer eingestuft wird, sind somit zuerst vom Stellenabbau betroffen.
Achtung: Im Rahmen der Sozialauswahl vergleichbar sind jeweils alle Arbeitnehmer, die der gleichen Beschäftigungsgruppe unterliegen. Nur vergleichbare Arbeitnehmer dürfen in die Sozialauswahl einbezogen werden. Vergleichbar sind Mitarbeiter, die:
- ähnliche Aufgaben erfüllen
- gleiche Qualifikation besitzen
- vergleichbare Gehaltsstufe haben
Wenn ein Arbeitnehmer nicht vergleichbar ist, kann er nicht als „Kündigungsalternative“ berücksichtigt werden.
Benötigen Sie rechtliche Unterstützung?
Wird die Sozialauswahl nicht korrekt durchgeführt, kann die Kündigung rechtlich angefochten werden.
Die Anwaltskanzlei Krüger in Krefeld steht Ihnen mit Erfahrung und Fachwissen zur Seite.
Vereinbaren Sie jetzt einen Beratungstermin, um Ihre Möglichkeiten zu besprechen.
5. Kündigungsfristen bei betriebsbedingten Kündigungen
Genauso wie bei der ordentlichen oder verhaltensbedingten Kündigung gelten die Kündigungsfristen des § 622 BGB.
Die Fristen orientieren sich an der jeweiligen Betriebszugehörigkeit. Wir raten dringend dazu, sowohl Arbeits- als auch Tarifverträge zu prüfen, da die dort vereinbarten Kündigungsfristen von den gesetzlichen Regelungen abweichen können.
6. Schritte nach Erhalt einer betriebsbedingten Kündigung
Als Arbeitnehmer haben Sie das Recht innerhalb von 3 Wochen nach Zugang der Kündigung §4 KSchG) Kündigungsschutzklage beim zuständigen Arbeitsgericht einzureichen. Wir empfehlen dringend einen Anwalt für Arbeitsrecht aufzusuchen und den individuellen Fall zu besprechen. Nicht jede betriebsbedingte Kündigung entspricht den gesetzlichen Anforderungen – nutzen sie ihre Rechte, um oder die Kündigung anzufechten.
Beziehen Sie, sofern vorhanden, den Betriebsrat in die Gespräche ein.
Die Zahlung einer Abfindung kann ein mögliches Ergebnis einer Kündigungsschutzklage sein und damit den Verlust des Arbeitsplatzes abmildern. Ein automatischer Anspruch besteht nicht.
Ggf. ergibt sich mit Unterstützung eines Anwalts eine Weiterbeschäftigung, sofern ein freier Arbeitsplatz besteht.
In jedem Fall, ist die sofortige Meldung bei der Agentur für Arbeit notwendig, um sich etwaige Ansprüche aus Arbeitslosengeld zu sichern..
7. Wie kann ein Anwalt für Arbeitsrecht unterstützen?
Ein Anwalt für Arbeitsrecht kann sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber bei einer betriebsbedingten Kündigung beraten und vertreten. Wir beraten individuell und immer unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung.
Unsere Aufgaben lauten
- Prüfung der rechtlichen Voraussetzungen betriebsbedingter Kündigungen, insbesondere Prüfung der Sozialauswahl
- Unterstützung bei Rechtsstreitigkeiten
- Verhandlung von Abfindungen oder Aufhebungsverträgen
- Prüfung der Möglichkeit einer Kündigungsschutzklage
- Beratung zu Alternativen: z. B. Umsetzung auf einen anderen Arbeitsplatz, Änderungskündigung
8. Fazit: Das Wichtigste im Überblick
- betriebsbedingte Kündigungen erfolgen aus wirtschaftlichen, strukturellen oder organisatorischen Gründen und nicht wegen Fehlverhaltens des Arbeitnehmers
- Arbeitgeber müssen dringende betriebliche Erfordernisse nachweisen und andere Beschäftigungsmöglichkeiten prüfen
- betriebsbedingte Kündigungen müssen das letzte Mittel darstellen
- Sozialauswahl unter vergleichbaren Arbeitnehmern schützt besonders schutzbedürftige Arbeitnehmer
- Kündigungsfristen nach § 622 BGB oder abweichend nach Arbeits- oder Tarifvertrag sind einzuhalten
- Arbeitnehmer können innerhalb von drei Wochen Kündigungsschutzklage einreichen und haben Anspruch auf Beratung, ggf. Abfindung oder Weiterbeschäftigung
- ein Anwalt für Arbeitsrecht unterstützt bei Prüfung der Rechtmäßigkeit, Sozialauswahl, Verhandlung von Abfindungen, Aufhebungsverträgen oder alternativen Lösungen
- eine betriebsbedingte Kündigung erfordert sorgfältige Dokumentation, Einhaltung gesetzlicher Vorgaben und eine individuelle Prüfung jedes Einzelfalls
9. FAQ: Häufig gestellte Fragen zur betriebsbedingten Kündigung
Was ist eine betriebsbedingte Kündigung?
Eine betriebsbedingte Kündigung erfolgt, wenn der Arbeitgeber aus wirtschaftlichen, strukturellen oder organisatorischen Gründen das Arbeitsverhältnis beenden muss. Sie hängt nicht vom Verhalten oder der Person des Arbeitnehmers ab.
Unter welchen Voraussetzungen ist eine betriebsbedingte Kündigung rechtlich zulässig?
Die Kündigung ist nur zulässig, wenn ein dringender betrieblicher Bedarf besteht, andere Beschäftigungsmöglichkeiten ausgeschöpft wurden und die Kündigung das letzte Mittel („Ultima-Ratio-Prinzip“) ist.
Welche Rolle spielt die Sozialauswahl?
Die Sozialauswahl schützt besonders schutzbedürftige Arbeitnehmer, z. B. langjährige Mitarbeiter, ältere Arbeitnehmer, Beschäftigte mit Unterhaltspflichten oder Schwerbehinderte. Nur vergleichbare Arbeitnehmer werden in die Auswahl einbezogen.
Was kann ich als Arbeitnehmer nach Erhalt einer betriebsbedingten Kündigung tun?
Arbeitnehmer können innerhalb von drei Wochen Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht einreichen, den Betriebsrat einbeziehen, rechtliche Beratung nutzen und ggf. eine Abfindung oder Weiterbeschäftigung verhandeln.
Kann ein Anwalt für Arbeitsrecht helfen?
Ja, ein Anwalt prüft die Rechtmäßigkeit der Kündigung, die Sozialauswahl, unterstützt bei Verhandlungen über Abfindungen oder Aufhebungsverträge und berät zu alternativen Lösungen wie Umsetzung auf andere Arbeitsplätze. Außerdem prüft er die Möglichkeit einer Kündigungsschutzklage.
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